Newsletter Herbst 2016
Liebe Leserin, lieber Leser!
Wir hoffen, dass der Sommer für Sie angenehm und erholsam war. Der Herbst – so spätsommerlich er auch begonnen hat – kündigt von viel Arbeit u.a. beim Durchlesen dieses Strahlenschutz-Newsletters.
A) VMSÖ-Jahrestagung 25./26.11.2016: Sichern Sie sich den Frühbuchungstarif !
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B) Einmal ganz abseits der ionisierenden Strahlen – ausnahmsweise lässt einmal der Ultraschall als potentielle Noxe aufhorchen:
Pränataler Ultraschall im 1. Trimester verstärkt Autismus-Symptome bei Knaben mit genetischer Disposition
Die Untersuchung mittels Ultraschall ist als weitgehend risikofreie Methode bekannt, die bei sehr vielen Fragestellungen eine Untersuchung mit ionisierender Strahlung ersetzen kann. Bisher haben randomisierte Studien keine signifikante oder konsistente Beziehung zwischen Ultraschall-Exposition und angeborenen Anomalien, Geburtsgewicht, Krebs / Tumore, Herz-Kreislauferkrankungen sowie allgemeinem neonatale bzw. kindliche Folgeschäden oder spezifische Psychopathologien wie Schizophrenie und Psychose gefunden. Ebenso wurde bisher keine direkte Beziehung zwischen Ultraschall und Störungen im Sinne des Autismus-Spektrums nachgewiesen. Der Nachweis scheint in der aktuellen Studie erstmals erbracht zu werden: (Webb J, et al., Autism Research 2016, online 1. Sep. ) http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/aur.1690/abstract;jsessionid=CE039607CBB116FD3BFD19FF1888A437.f02t03) geführt zu haben.
Es konnte eine „triple hit“-Hypothese bestätigt werden, wonach die Schwere von ASD (Autism Spectrum Disorder) durch eine Kombination aus drei zusammenhängenden Bestandteilen einer Kausalkette vergrößert werden: (1) Ultraschalluntersuchung (2) während des ersten Schwangerschaftstrimesters (3) an Ungeborenen mit genetischer Prädisposition im Sinne sogenannter.
Knaben, die an ASD litten und diese drei Voraussetzungen erfüllten, hatten tatsächlich einen signifikant verminderten nonverbalen IQ und vermehrt repetitives Verhalten im Vergleich zu Knaben mit der gleichen Konstellation jedoch ohne US-Exposition.
Die AutorInnen betonen, dass angesichts der Datenlage die Ultraschall-AnwenderInnen vorsorglich mehr Beachtung den technischen Parametern ihrer Untersuchung schenken sollten, wie z.B. dem Thermalindex (TI) als Maß für die Gewebeerwärmung oder dem Mechanischen Index (MI), welcher die Wahrscheinlichkeit von Gewebekavitationen bestimmt. Das Wissen um die technischen Grundlagen sei aber bei vielen AnwenderInnen lückenhaft.
C) Kein erhöhtes Strahlenrisiko bei Radiologen (zumindest im Vergleich zu Psychiatern)
Berrington de González A, et al.: Long-term Mortality in 43 763 U.S. Radiologists Compared with 64 990 U.S. Psychiatrists. Radiology. 2016 Jul 19 DOI
Im Gegensatz zu einer rezenten Studie im American Journal of Radiology, die bei RTs im Bereich der durchleuchtungsgezielten Intervention ein erhöhtes Sterberisiko insbesondere an Hirntumoren gezeigt hat (siehe letzter VMSÖ-Sommernewsletter 2016), konnte eine im „Konkurrenzblatt“ Radiology publizierte Studie an Radiologen, welche in den letzten Jahrzehnten tätig waren, kein erhöhtes Sterberisiko nachweisen.
Es wurden Kohorten aus 43.763 RadiologInnen (20% weiblich) mit 64.990 PsychiaterInnen (27% weiblich) als Kontrollgruppe verglichen, die zwischen 1916 und 2006 ins Berufsleben eingetreten sind. Lebens-, Krankheits- und Sterbedaten wurden aus verschiedenen Datenbanken abgeglichen.
Im Beobachtungszeitraum von 1979-2008 starben 4.260 männliche Radiologen und 7.815 männliche Psychiater, was ein relativ niedrigeres Sterberisiko um den Faktor 0,94 für die Radiologen bedeutet (95%-Konfidenzintervall 0,90-0,97). Die Krebsmortalität war bei den Radiologen nicht wesentlich anders als bei den Psychiatern (Relatives Risiko = 1.00; 95% KI: 0.93 - 1.07).
Allerdings war die Todesrate an Akuter Myeloischer Leukämie und/oder Myelodysplastischem Syndrom für die Radiologen erhöht ( mit RR = 1.62; 95% KI: 1.05 - 2.50). Diese Risikoerhöhung ist allerdings jenen Radiologen zuzurechnen, die ihre Berufsausbildung vor 1940 abgeschlossen hatten (RR = 4.68; 95% KI: 0.91 - 24.18). Bei diesen waren auch die Sterberaten an Melanomen (RR = 8.75; 95% KI: 1.89 - 40.53), non-Hodgkin-Lymphomen (RR = 2.69; 95% KI: 1.33 - 5.45) sowie zerebrovaskulären Erkrankungen (RR = 1.49; 95% KI: 1.11 - 2.01) erhöht. Die 208 Sterbefälle bei den Radiologinnen sowie die lediglich 47 vor 1940 graduierten Radiologinnen ließen eine detaillierte Auswertung nicht zu.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass diese Untersuchung für die Frühzeit der Radiologie sehr wohl ein teils deutlich erhöhtes Sterberisiko an Malignomen, geringer auch an zerebrovaskulären Erkrankungen gezeigt hat. Für die jüngere Radiologengeneration, nach 1940 ins Berufsleben eingetretene, war das Sterberisiko zumindest in Vergleich zur Kontrollgruppe der Psychiater nicht erhöht, was möglicherweise auf die in den letzten Jahrzehnten wesentlich verbesserten Strahlenschutzmaßnahmen, eventuell aber auch auf geänderte Lebensstilfaktoren zurückzuführen ist.
D) Sofortige Ganzkörper-CT vs. selektiver CT bei Schwerverletzten bringt keine signifikanten Überlebensvorteile
Sierink JC, et al.: Immediate total-body CT scanning versus conventional imaging and selective CT scanning in patients with severe trauma (REACT-2): a randomised controlled trial.
Lancet 2016;388(10045):673-83. DOI
Überlebensvorteile durch eine Anwendung der Ganzkörper-Schockraum-CT als Primäruntersuchung bei schwerverletzten Patienten sind bisher nur an retrospektiven Kohortenstudien belegt worden. Hier wurde eine prospektive, randomisierte, kontrollierte Studie (REACT-2) durchgeführt. Es konnten von drei niederländischen und einer schweizer Traumaabteilung insgesamt 1083 schwerverletzte PatientInnen in eine Endanalyse rekrutiert werden. 541 davon waren in der Untersuchungsgruppe mit sofortiger Ganzkörper-CT, 542 in der Kontrollgruppe mit differenziertem Vorgehen wie Ultraschall und Radiographie mit erst in weiterer Folge additiver Ganzkörper- oder selektiver CT.
Die CT-Untersuchungen wurden zwischen April 2011 und Ende 2013 mittels 64-Zeilen-CT-Geräten durchgeführt, mit Nativ-Serie im Schädel-HWS-Bereich und einer anschließenden Kontrastmittelserie von Thorax und Abdomen in Split-Bolus-Technik (d.h. ein einzelner, zweigipfeliger KM-Bolus zur gleichzeitigen Darstellung der arteriellen und der venösen Gefäße).
Insgesamt zeigten sich wohl kleine Überlebensvorteile, aber keine signifikanten Überlebensvorteile in der Untersuchungsgruppe. Die Zeitdauer bis zum Abschluss der Diagnostik und die gesamte Aufenthaltsdauer im Schockraum (letztere 63 gegenüber 72 Minuten im Median) war in der Untersuchungsgruppe kürzer.
Der Median der errechneten Effektivdosen der Untersuchungen im Schockraum lag bei der Untersuchungsgruppe mit 20,9 mSv statistisch „hoch signifikant“ über jenem der Kontrollgruppe mit 20,6 mSv – aus Strahlenschutzsicht wohl kein weltbewegender Unterschied. Nur war die Schwankungsbreite bei der Kontrollgruppe mit differenziertem Vorgehen wesentlich höher, es gab viele PatientInnen, die deutlich niedrigere Dosen erhielten, allerdings auch welche, die höhere Dosen erhielten. Auch für die Strahlenexposition im weiteren Verlauf des Krankenhausaufenthaltes waren die Verhältnisse ähnlich mit 21,0 mSv [20•9–25•2] versus 20,6 mSv [11,8–27,6]; p<0•0001.
Insgesamt scheint aus der vorliegenden Arbeit nicht wirklich ein Plädoyer gegen den primären Einsatz der Schockraum-Ganzkörper-CT bei schwerverletzten PatientInnen ableitbar, insbesondere nicht, was die Strahlenexposition betrifft. Festzuhalten ist aber, dass gerade in diese Arbeit die Ganzkörper-CT wirklich nur bei Schwerverletzten zum Einsatz kam und weniger schwer verletzte PatientInnen ausgeschlossen wurden. Denn mit knapp über 20 mSv errechneter Effektivdosis ist diese Untersuchung sicherlich nicht zu den Niedrigdosisuntersuchungen zu zählen. Weitere Untersuchungen zur noch genaueren Triage der PatientInnen erscheinen den AutorInnen angebracht.
E) Deutsches Bundesamt für Strahlenschutz senkt Strahlendosis-Referenzwerte
Das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) hat die diagnostischen Referenzwerte beim Röntgen bereits im Vorjahr deutlich gesenkt, zum Teil um bis zu 50 Prozent- im Mittel um 20 Prozent. Diese Senkung wird durch die laufenden Entwicklungen auf dem Gebiet der Medizintechnik ermöglicht.
Neben der Senkung der bestehenden Referenzwerte hat das BfS auch neue Referenzwerte für bisher noch nicht berücksichtigte Untersuchungen eingeführt. Insbesondere die Referenzwerte für komplexere, mit höheren Dosen einhergehenden CT-Untersuchungen (z.B. Cardio-CT) sowie auch für interventionelle Eingriffe (z.B. TAVI-Herzklappenersatz, Stentsetzungen von Aortenaneurysmen oder intraarterielle Thrombolyse im Gehirn) wurden wesentlich verfeinert und ergänzt.
Dies scheint auch nötig, weil den Dosisreduktionen im Einzelnen eine stetige Zunahme dosisintensiver Röntgenanwendungen gegenüber steht. Die aktualisierten diagnostischen Referenzwerte sind auf der Site des BfS zu finden: www.bfs.de/diagnostische-referenzwerte.
Angesichts des deutschen Vorbildes erscheint uns eine Adaptierung und Verfeinerung der Referenzwerte in Österreich dringend notwendig.
F) Neue IAEA-Publikation: Atlas of Skeletal SPECT/CT Clinical Images
Der Atlas möchte als Trainingstool für die muskuloskeletale SPECT-CT dienen und präsentiert typische Fälle mit vielen unterschiedlichen Mustern, welche bei der SPECT-CT in der Knochenszintigraphie zu sehen sind. Neben der Möglichkeit der Bestellung einer kostenpflichtigen (75.- €) Printvariante wird auch eine online-Version angeboten.
G) 50 Jahre ÖVS – Festveranstaltung am 12.10.2016
Der „Mutterverband“ des VMSÖ feiert seinen 50. Geburtstag und lädt zu einer Festveranstaltung im Billrothhaus der Gesellschaft der Ärzte in Wien. Das um 13:00 Uhr beginnende Programm finden Sie unter hier.
H) VMSÖ-Strahlenschutzkurse November 2016
Grundausbildung zum Strahlenschutzbeauftragen - Teil 1
Wien 04.11 - 05.11.2016
Grundausbildung zum Strahlenschutzbeauftragen - Teil 2
Wien 11.11 - 12.11.2016
Spezielle Ausbildung für diagnostische Anwendung v. Röntgenstrahlen
Wien 18.11 - 19.11.2016
Siehe auch Veranstaltungskalender
Herzlichst, Ihr/Ihre
OA Dr. Gerald Pärtan (Präsident des VMSÖ)
OÄ Dr. Elke Dimou (Chefredakteurin)
RT Martina Dünkelmeyer (Schriftführerin)