Newsletter Frühjahr 2016
Liebe Leserin, lieber Leser!
Im Folgenden berichten wir über
A) Draft Report der ICRP über Diagnostische Referenzwerte in der medizinischen Bildgebung
B) Neue britische Dosis-Referenzwerte
C) Workshop über die Effekte des AKW-Unfalls in Fukushima auf das Ökosystem
D) Tagungsbericht Herbsttagung 2015 des ÖVS/FS unter Mitwirkung der ÖGMP und des VMSÖ
E) Alle Kurs- und Tagungstermine bis Ende 2016
Herzlichst, Ihr/Ihre
OA Dr. Gerald Pärtan (Präsident des VMSÖ)
OÄ Dr. Elke Dimou (Chefredakteurin)
RT Martina Dünkelmeyer (Schriftführerin)
A) ICRP Draft Report for Consultation: Diagnostic Reference Levels in Medical Imaging
Dieses Dokument (http://www.icrp.org/page.asp?id=256) stellt die Neufassung der frühere ICRP-Empfehlungen dar. Es befasst sich ausführlich mit dem Prozess der Erstellung und Anwendung diagnostischer Referenzwerte in der Radiologie und Nuklearmedizin und legt eine aktualisierte Zusammenfassung über den weltweiten Stand des diesbezüglichen Wissens vor. Nicht Gegenstand dieses Dokumentes ist die Vorgabe konkreter Referenzwerte.
Hier einige Schlüsselsätze (im englischen Original, Hervorhebungen durch die Newsletter-Redaktion):
- The Commission recommends setting DRLs based on surveys performed on an appropriate sample of patients. The use of phantoms is not sufficient in most cases, as when phantoms are used, the effects of operator performance are not taken into account.
- The first step in setting DRLs is to identify the examinations/procedures for which DRLs should be established. They should represent the common examinations performed in the region, with priority given to those that are performed with the highest frequency or that result in the highest patient radiation dose. They should also be ones for which assessment of DRL quantities is practicable.
- DRL values are not static. As optimisation continues or hardware and software improve, DRLs should be updated on a regular basis. When new imaging techniques are introduced, an effort should be made to measure DRL quantities and set DRLs as soon as is practicable.
- For interventional procedures, complexity of the procedure may be considered in setting DRLs and a multiplying factor for the DRL value (e.g. 2 or 3) may be appropriate for more complex cases of a procedure.
- The 75th percentile value of the distribution of median values (the 50th percentile) of a DRL quantity at healthcare facilities throughout a country is used as the ‘national DRL’.
- The ...50th percentile of the distribution used to set the national DRL may also be used as an additional tool for optimisation.
- The amount of administered radiation for examinations of children can vary tremendously due to the great variation in patient size and weight. This variation in patient radiation dose is appropriate. Variation in patient radiation dose is not appropriate if it is due to failure to adapt the imaging protocol to account for paediatric diseases and paediatric patient sizes.
- Appropriate weight bands (generally with 10 kg intervals) are recommended for establishing paediatric DRLs and should be promoted for paediatrics.
- Assessment of clinical image quality should be performed as part of the optimisation process. Objective measures should be used where these are available.
Allfällige Kommentare zu diesem Entwurf sind der ICRP bis 15. April 2016 zu übermitteln.
B) Neue Diagnostische Referenzwerte in Großbritannien – Vorbild für Österreich?
Konkrete, sehr aktuelle und sicherlich dem aktuellen Stand der Technik in Europa entsprechende Diagnostische Referenzwerte für Röntgenuntersuchungen wurden kürzlich (am 22.1.2016) in Großbritannien publiziert: https://www.gov.uk/government/publications/diagnostic-radiology-national-diagnostic-reference-levels-ndrls/national-diagnostic-reference-levels-ndrls
Im Vergleich zu den österreichischen Referenzwerten laut Medizinischer Strahlenschutzverordnung 2010 sind die hier angeführten Werte
- bei der CT bei Erwachsenen um ca. 1/3 geringer
- bei der pädiatrischen Schädel-CT um 1/3 HÖHER
- Bei Radiographien bei Erwachsenen ident bis 50% geringer (für Kinder werden keine radiographischen Referenzwerte angegeben)
- bei der Durchleuchtung (mit einem gegenüber Österreich wesentlich erweitertem Umfang an Untersuchungsarten) um den Faktor 10 (!) geringer
- bei der pädiatrischen MCU um 3,5-5x geringer
- bei interventionellen Eingriffen (mit einem gegenüber Österreich wesentlich erweitertem Umfang an Interventionsarten) um 10-300% geringer.
Zusätzlich werden Referenzwerte für Dentalröntgen angegeben. Empfehlungen für die Nuklearmedizin sind in einem verlinkten Dokument abrufbar (https://www.gov.uk/government/publications/arsac-notes-for-guidance ).
6 Jahre nach der Veröffentlichung offizieller österreichischer Referenzwerte scheinen diese insbesondere für die Durchleuchtung, für pädiatrische und interventionell radiologische Eingriffe dringend überarbeitungsbedürftig. Das Spektrum der von Referenzwerten erfassten Untersuchungen/Interventionen sollte ebenfalls erweitert werden.
Nicht angesprochen werden auch hier die intraoperative Durchleuchtungen z.B. bei orthopädischen/traumatologischen Operationen. Hier scheint ein weites Tätigkeitsfeld offen zur Bearbeitung.
C) Kritischer Workshop über die Effekte des Unfalls im Fukushima Daiichi-Kraftwerk 2011 auf das Ökosystem (Bericht: Th. Leitha)
Im Dezember 2015 wurden die Ergebnisse eines erstmals am 10. und 11. August 2014 am Kyoto University Research Reactor Institute abgehaltenen Workshops über die Auswirkungen des Fukushima-Atomkraftwerksunfalls in einer frei zugänglichen Sondernummer des Journal of Radiation Research (Volume 56 suppl 1, December 2015; http://jrr.oxfordjournals.org/content/56/suppl_1.toc) publiziert. Dieser Workshop wird ab nun jährlich abgehalten, weitere Ergebnisse sind in naher Zukunft zu erwarten.
Interessant sind die Artikel deshalb, weil sie sich mit der Veränderungen verschiedener biologischer Indikatoren befassen, an Hand derer die sehr komplexen Auswirkungen akzidenteller Strahlenexposition auf das Ökosystem beurteilt werden sollen, so wie es die ICRP bereits 2008 vorgeschlagen hat (Clarke RH et al. Development of ICRP’s philosophy on the environment. A report of environmental protection: the concept and use of reference animals and plants. Ann ICRP 2008;38(4–6):3–242).
Vereinzelt finden derartige Beobachtungen auch den Weg in die Laienpresse, werden aber dort nur als einmalige Sensation abgehandelt. Zum Beispiel berichteten im Mai 2011 die Medien weltweit über die Geburt eines japanischen „Keinohrhasen“ ohne eine echte Kausalität zu dem Unfall in Fukushima nachweisen zu können und spekulierten über noch zu erwartende Folgen (http://www.welt.de/vermischtes/article13413514/Kaninchen-ohne-Ohren-nahe-Fukushima-geboren.html). Die Schwierigkeiten, repräsentative Ergebnisse und Langzeitverläufe zu erheben um eine Risikoabschätzung zu ermöglichen, finden viel weniger mediales Interesse. Auch aus diesem Grunde sind die Ergebnisse dieses Workshops lesenswert.
Am Beispiel einer auch in den Medien oft zitierten Schmetterlingsart (Zizeeria maha,) von der bekannt ist, dass sie sensibel auf radioaktiv kontaminierte Nahrung reagiert, konnte für den Zeitraum zwischen 2011 und 2013 gezeigt werden, dass Mortalität und die Rate an genetischen Veränderungen im Herbst 2011 den Höhepunkt erreicht hat und danach nach 15 Generationen in 5 Jahren auf den Ausgangswert zurückkehrte. Weniger eindeutig waren die Auswirkungen auf Karpfen, die in den Teichen der Region gehalten wurden. Auch dort wurden biologische Veränderungen gefunden, eine eindeutige Korrelation zum Cäsiumgehalt konnte jedoch nicht bewiesen werden. Die Radiosensitivität von Fischen ist auch deutlich geringer als die der erwähnten Schmetterlinge.
In einer anderen Untersuchung wurden stichprobenartig Japanische Nachtigallen (Cettia diphone) untersucht. Die im August 2011 stark anhaftende Cäsium-Kontamination des Federkleides hat in den Kontrollen nach einem Jahr um 80% abgenommen. Ob eine mehrfach beobachtete suspekte Läsion in der Kloaken-Region dieser Vögel im Zusammenhang mit der Exposition steht, soll nach Vorschlag der Autoren in weiteren Untersuchgen abgeklärt werden. Eine andere Arbeit zeigte, dass Veränderungen an den Schwanzfedern von Rohrammern um Fukushima und auch in anderen Regionen in unterschiedlicher Frequenz beobachtet werden können.
In einer Langzeitbeobachtung über 18 Mäusegenerationen, die ad libitum Zugang zu nicht kontaminiertem und mit Cäsium kontaminiertem Wasser (137-CsCl : 0 Bq/ml und 100Bq/ml) hatten, wurde die Biodistribution von Cäsium untersucht und den in Weißrussland gewonnenen Messdaten wild lebender Tiere gegenübergestellt. Es fand sich auch über 18 Generationen keine Veränderung im Verhältnis von männlichen und weiblichen Nachkommenschaft oder in der Anzahl der Nachkommen pro Wurf, so dass es offenbar zu keinen geschlechtsgebundenen letalen Mutationen gekommen war. Die Autoren weisen darauf hin, dass dies Ergebnisse der Humanmedizin bestätigt, die nach einer Generation unter den Überlebenden der Atombombenabwürfe in Hiroshima und Nagasaki gewonnen wurden.
In einem anderen Artikel wird an Hand der gemessenen Kontamination der Region eine Karte für die kumulative Beta-Dosis präsentiert. Die höchste berechnete Hautdosis (70-μm Dosisäquivalent für Menschen unter der Annahme eines Außenaufenthaltes über ein Jahr 24h/7d) wurde mit 710 mSv für die Region Akogi-Teshichiro (Namie Town) errechnet. In einer anderen Arbeit werden die Emissionen der beiden Unfälle von Chernobyl und Fukushima gegenübergestellt.
D) Nochmals: Strahlenschutztagung 2015 in Baden
Eine „Nachsitzung“, welche der Hauptorganisator dieser Tagung, der Österreichische Verband für Strahlenschutz (ÖVS) am 11.3.2016 abgehalten hat und an welcher unser Vorstandsmitglied Michael Gruber teilgenommen hat, zog ein sehr positives Resultat, sowohl was die Zahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmern, als auch die hie erstmals in größerem Rahmen umgesetzte Zusammenarbeit der deutschsprachigen Strahlenschutzverbände betrifft. Der VMSÖ war mit Vorträgen von Franz Kainberger und Kurt Kletter vertreten.
Eine lesenswerte Zusammenfassung der Tagung () wurde vom Präsidenten und vom Vizepräsidenten des ÖVS, Michael Hajek und Franz Maringer, als Auszug aus dem Heft 2/2015 der Verbandszeitschrift „Strahlenschutz aktuell“ zur Verfügung gestellt.
Wir bedanken uns nochmals bei den Organisatoren für die Einladung und freuen uns auf künftige weitere Zusammenarbeit.
F) Kommende Termine (alle in Wien)
- 01./02.04.2016
Grundausbildung zum Strahlenschutzbeauftragen - Teil 1 - 07./08.04.2016
Kurs zum MR-Sicherheitsbeauftragten - 08./09.04.2016
Grundausbildung zum Strahlenschutzbeauftragen - Teil 2 - 15./16.04.2016
Spezielle Ausbildung zum Strahlenschutzbeauftragten - Nuklearmedizin - 22./23.04.2016
Spezielle Ausbildung zum Strahlenschutzbeauftragten - Röntgendiagnostik - 04./05.11.2016
Grundausbildung zum Strahlenschutzbeauftragen - Teil 1 - 11./12.11.2016
Grundausbildung zum Strahlenschutzbeauftragen - Teil 2 - 18./19.11.2016
Spezielle Ausbildung zum Strahlenschutzbeauftragten - Röntgendiagnostik 23./24.11.2016 Kurs zum MR-Sicherheitsbeauftragten - 25./26.11.2016
VMSÖ-Jahrestagung 2016 (Billrothhaus der Gesellschaft der Ärzte in Wien, Frankgasse 8, 1090 Wien; Vorprogramm in Kürze)