Newsletter Frühjahr 2017

Liebe Leserin, lieber Leser!

Ziemlich verspätet, aber dennoch bzw. gerade deshalb mit vielen hoffentlich interessanten / relevanten Informationen auf dem Gebiet des medizinischen Strahlenschutzes erscheint unser Frühlings-Newsletter.

 

A) Internationales:

ICRP Draft Report for Consultation: Occupational Radiological Protection in Interventional Procedures

Bereits in den Veröffentlichungen 117 (Radiological Protection from Fluoroscopically guided procedures outside the imaging department) und 120 (Radiological Protection in Cardiology) gab die ICRP praktische Hinweise zum Strahlenschutz des Personals bei fluoroskopisch geführten Interventionen. Die aktuelle Publikation richtet sich gezielt an Krankenhaus-Administratoren, Strahlenschutzbeauftragte, Mitarbeiter von Dosimetrie-Diensten, klinische Anwendungsspezialisten der Zulieferer und Instandhaltungsbetriebe sowie Regulierungsbehörden. Es werden genauere Anweisungen gegeben für die Bewertung der beruflichen Exposition, für die Dosisabschätzung von Extremitäten und Augen (mit und ohne Augenschutz), über die Auswahl von Schutzkleidung, über die Schätzung der Effektivdosis, wenn Schürzen getragen werden, sowie die Prüfung von interventionellen Verfahren, wenn die Dosiswerte des Personals ungewöhnlich hoch oder niedrig sind (letzteres bedeutet, dass das Dosimeter nicht getragen worden ist). Diese Anweisungen erstrecken sich, neben durchleuchtungsgezielten Methoden, auch auf CT- und PET-gezielte Interventionen sowie auf die Selektive Interne Radiotherapie (SIRT).
Ein weitere der in dieser Publikation behandelten Problemstellungen ist die hohe Dosis betreff der unteren Extremitäten des Personals, wenn der Patiententisch in einer hohen Position steht, da die an den Tisch montierten Bleivorhänge nur einen mangelnden Schutz bieten.

Kommentare zu diesem Publikations-Entwurf können auf der ICRP-Webseite bis 23. Juni 2017 abgegeben werden.

Nicht mehr ganz so neu und bereits im November 2016 publiziert ist der

Report of Task Group 100 of the AAPM: Application of risk analysis methods to radiation therapy quality management:

Dieser von der American Association of Physicists in Medicine herausgegebene Publikation widmet sich dem Qualitätsmanagement in der Strahlentherapie, insbesondere die Fehleranalyse betreffend. Die weitaus überwiegende Anzahl an Fehlern im Bereich der Strahlentherapie hat nicht ein technisches Versagen als Ursache, sondern Mängel in der Kommunikation, Schulung, Arbeitsablaufplanung, Standardisierung etc.. Eine zusammenfassende und erklärende Powerpoint-Präsentation finden Sie hier.

Ebenfalls mit Erscheinungsdatum 2016, aber erst jüngst auf breiterer Basis publiziert wurde der
UNSCEAR-Report 2016:

Dieser Report ist für medizinische Anwendungen sicherlich nicht so relevant wie der UNSCEAR-Report 2013 über die Auswirkungen ionisierender Strahlen bei Kindern. Er behandelt (im Annex A und B) die Abschätzung von Bevölkerungsdosen aus radioaktiven Emissionen der Stromerzeugung und vergleicht die Strahlenbelastung, die sich aus der Nutzung von Kernenergie, Kohle, Gas, Öl und Geothermie, sowie Solar- und Windenergie ergibt. Die Anhänge C und D untersuchen die biologischen Effekte der internen Strahlenexposition aus ausgewählten Emittenten (Tritium und Uran).

B) Nichtionisierende Strahlung

EMF-Leitlinie propagiert Vorsorgeprinzip bei elektromagnetischen Feldern (Presseaussendung der Ärztekammer Wien vom 23.3.2017)

Bereits 2016 hat die Europäische Akademie für Umweltmedizin (EUROPAEM - European Academy for Environmental Medicine) die neue „EMF-Leitlinie zur Vorsorge, Diagnostik und Behandlung von Gesundheitsproblemen, verursacht durch elektromagnetische Felder" veröffentlicht. Nun liegt die Leitlinie auch auf Deutsch und als Druckversion vor.
Dem Vorsorgeprinzip folgt auch der sogenannte Reykjavik-Appell, der von Experten aus 24 Nationen im Februar dieses Jahres unterzeichnet wurde. Mitunterzeichner dieses Apells waren unter anderem auch Piero Lercher, Umweltreferent der Ärztekammer für Wien, sowie Ärztekammerpräsident Thomas Szekeres. Der Appell richtet sich an die Verantwortlichen bezüglich Nutzung von drahtlosen Technologien an Schulen. Die Unterzeichner sind besorgt über die Gesundheit der Schüler, da zahlreiche Studien gezeigt haben, dass es nennenswerte medizinischen Risiken bei der Langzeitexposition von funkfrequenter Strahlung gibt, die bei drahtlosen Technologien auftreten. Deswegen empfiehlt der Apell unter anderem Maßnahmen wie die Vermeidung von drahtlosen Technologien und Handys in Kindergärten, Vorschulen und Schulen sowie die Bevorzugung von kabelgebundenen Lösungen bei Laptops, Telefonen, Internet und Druckern.

Tendenziell in die Gegenrichtung weist eine Metaanalyse, die in der Jänner-Ausgabe von „Radiation Research” als siebenseitiger Kommentar unter dem Titel “Will an MRI Examination Damage Your Genes?” erschienen ist.  Dieser nicht frei zugängliche Artikel wird auf dem Radiologie-Portal www.auntminnie.com (nach kostenloser Registrierung frei zugänglich) ausführlich diskutiert (Titel: Do MRI scans cause genetic damage? Probably not).
Diese Metaanalyse von insgesamt 10 Studien, welche zwischen 2007 und 2016 publiziert wurden, zeigte sehr gemischte Ergebnisse, welche (wieder einmal) aufgrund diverser Mängel nicht geeignet sind die Gentoxizität der statischen Magnetfeldkomponente, der Gradientenfelder oder der Radiofrequenzimpulse endgültig zu klären. Wie so oft konstatieren die Autoren, dass Studien mit größeren Kohorten, besserer Verblindung, Randomisierung und auch „sham exposures“ nötig wären. Wenn vereinzelt genotoxische Effekte nachweisbar sind, so ist (noch) nicht klar, inwieweit diese, über die zellulären Reparaturmechanismen hinaus, wirksam werden könnten. Auch diese Metaanalyse kann Effekte nicht mit letzter Sicherheit ausschließen, dzt. deutet aber nichts darauf hin, dass diese eine Größe erreichen, welche – insbesondere im Vergleich zu Untersuchungen mit ionisierenden Strahlen – eine indizierte MRT in Frage stellen könnte.

C) Computertomographie

Nutzen - Risikoverhältnis des Lungenkrebs-CT-Screenings: 1 induziertes versus 108 entdeckte Karzinome.

Zu diesem Ergebnis kam eine jüngst unter dem Titel “Exposure to low dose computed tomography for lung cancer screening and risk of cancer: secondary analysis of trial data and risk-benefit analysis” im BMJ 2017 erschienene Studie. Im Rahmen der in Mailand 2004 – 2015 durchgeführten COSMOS-Lungenkrebs-Screeningstudie an insgesamt 5203 Personen wurde die Effektivdosis durch jährlich eine Niedrigdosis-Thorax-CT (konventionelle gefilterte Rückprojektions-Bildakquisition, noch ohne iterative Bildrekonstruktion) über 10 Jahre hinweg errechnet. Die mit Hilfe eines automatischen Dosiserfassungsprogrammes ermittelte kumulative Effektivdosis nach 10 Jahren Screening an Hochrisiko-RaucherInnen lag bei 9,3 mSv bei Männern und bei 13 mSv bei Frauen. Es wurde eine strahlenbedingte Krebsinduktionsrate von einer Krebserkrankung pro 108 durch das Screening entdeckte Karzinome errechnet, was eher als gutes Nutzen-Risikoverhältnis anzusehen ist.

Effektivdosis der Thorax-CT nähert sich weiter der Effektivdosis der Radiographie an.

Eines der jüngeren Ergebnisse in diesem Forschungsgebiet wurde in einem wissenschaftlichen Vortrag am heurigen European Congress of Radiology in Wien vorgestellt unter dem Titel “Sub-millisievert (mSv) third-generation dual-source chest CT with advanced modeled iterative reconstruction: image quality and lesion conspicuity” (F. Sodagari, H. Savas, R. Agrawal, et al., Insights Imaging 2017; 8 [Suppl 1]:S 340)
Hier wurden die Expositionsparameter anhand eines Thorax-Phantoms bis zur niedrigsten gerade noch akzeptablen Bildqualität reduzierte. So konnten Thorax-CT-Untersuchungen mit nur 0,1 mSv Effektivdosis durchgeführt werden, was noch über der normalerweise bei einem Lungenröntgen auftretenden Dosis, jedoch eindeutig im Dosisbereich sonstiger projektionsradiographischer Untersuchungen liegt. Bei Untersuchungen mit PatientInnen sind tendenziell etwas höhere Dosen zu erwarten. Es stellt sich auch die Frage wie lange es dauert bis die hier vorgestellten, nur mit modernsten CT-Geräten realisierbaren Expositionswerte, auf breiter Basis umgesetzt werden können. Dennoch zeigt sich, dass offenbar die Grenzen des physikalisch Machbaren in der Röntgendiagnostik noch nicht erreicht sind. Siehe auch D) Bericht vom ECR.

MRT als CT-Ersatz in der Knochendarstellung?

Ein im medizinischen online-Portal Medscape erschienenes Interview mit Hollis G. Potter (MD, Vorsitzende des Department of Radiology and Imaging im Hospital for Special Surgery (HSS) in New York City) zeigt diesbezüglich interessante Perspektiven von „zero echo time (ZET)“-MR-Sequenzen. Die angefertigten Aufnahmen vom Bereich der Schultergelenke sowie der Halswirbelsäule mit einem noch nicht FDA-approbierten Prototyp-Gerät ähneln stark CT-Aufnahmen mit noch etwas reduzierter Bildqualität. Allgemein werden gerade MR-Sequenzen mit ultrakurzer Echozeit (UTE – ultrashort TE) zur Darstellung des muskuloskelettalen Systems erforscht. Ein Review-Artikel zu diesem Thema findet sich unter Siriwanarangsun P, et al. Quant Imaging Med Surg. 2016; 6(6): 731–743. Das oben erwähnte Interview ist hier abrufbar (gratis-Registrierung notwendig).

D) European Congress of Radiology (ECR) 2017:

Die Strahlenschutzthemen des ECR waren heuer unter dem Dach und Titel der “EUROSAFE”-Kampagne der European Society of Radiology (ESR) (www.eurosafeimaging.org) zusammengefasst, was durchaus den hohen Stellenwert des Strahlenschutzes bei der ESR zeigt.
Neben 111 elektronischen Postern zum Thema Strahlenschutz wurden fünf große wissenschaftliche Sitzungen abgehalten. Ein englischsprachiger Rückblick auf diese Sitzungen ist hier abrufbar. Mitglieder der ESR können Videoaufzeichnungen davon online abrufen.
Hier eine kurze deutschsprachige Zusammenfassung:

- European Alliance for Medical Radiation Protection Research (EURAMED): Ein Konsortium aus fünf europäischen Fachgesellschaften (EANM - (Europ. Association of Nuclear Medicine), EFOMP – (Europ. Federation of Organizations in Medical Physics), EFRS – (Europ. Federation of Radiographer Societies), ESR – (Europ. Society of Radiology), sowie ESTRO – (Europ. Society for Radiotherapy and Oncology). Diese Initiative läuft unter dem Dach des von der ESR 2006 gegründeten European Institute for Biomedical Imaging Research (EIBIR – www.eibir.org). Erste Aktivitäten widmen sich der Forschung über kardiovaskuläre Effekte der Radiotherapie bei Brustkrebspatientinnen, über Biomarker wie zirkulierende extrazelluläre Membranen-Mikropartikel aus Blutplättchen, über Endothelzellen und Monozyten zur biologischen Dosimetrie sowie der Strahlendosis in der Interventionellen Radiologie. Von großer Bedeutung bei der letzteren Thematik ist die hohe Varianz der Konversionsfaktoren zwischen Dosis-Flächenprodukt und Effektivdosis, welche je nach Untersuchung/Intervention zwischen 0.01 und 2 mGy/(Gy.cm²) betragen könne,n mit Spitzen von bis zu 10 mGy/(Gy.cm²) in Teilen der Lungen und dem roten Knochenmark. Ein Überblick über die Aktivitäten und Kontaktmöglichkeiten findet sich auf der Webseite des EIBIR.

- Focus on appropriate image quality: what we have to know: Ja, ohne Erhalt einer entsprechenden Bildqualität gibt es auch keinen vernünftigen Strahlenschutz. Im Einleitungsvortrag dieser Sitzung ging Sebastian Schindera (VMSÖ-Holeczke-Preisträger 2014) auf eine oft in den Hintergrund gedrängte Problematik ein: Die allseits gepriesene iterative Bildrekonstruktion in der CT führt wohl zu einer deutlichen Reduktion des bei Dosisreduktion auftretenden Bildrauschens; sie kann jedoch die bei sinkender Dosis auch sinkende Diagnosequalität (hier am Beispiel der Entdeckung von Niedrigkontrastobjekten in einem Leberphantom) im Vergleich zu konventioneller Bildberechnung (Filtered Back Projection) offenbar nicht wirklich vermindern. Diese in Radiology 2013 publizierte Studie zeigte mit anderen Worten, dass die massiv beworbene iterative Bildrekonstruktion zwar schönere, messbar weniger verrauschte, jedoch nicht unbedingt diagnostisch bessere oder aber gleichwertige Bilder erzeugt und somit die Dosisreduktion in der CT vielleicht nicht ganz so einfach ist, wie es in diversen Studien (siehe Beitrag weiter oben) dargestellt wird.

Weitere Sitzungen widmeten sich den Themen Europäische Dosis-Referenzwerte (im Hinblick auf die Umsetzung der Basic Safety Standards Directive 2013/59/Euratom), European CT dose repository (inklusive Erklärung der dazu notwendigen Dosis-Tracking-Systeme) sowie dem 2016 gestarteten EuroSafe Imaging Stars-Konzept. Unter dem Titel “Audit - How (Euro)safe is your department?” wurde von der ESR interessierten Abteilungen ein Paket an Maßnahmenvorschlägen angeboten, mit welchem eine Zertifizierung hinsichtlich der Dosis-Optimierung in der Computertomographie erreicht werden konnte. Die Kriterien für die Zertifizierung werden auf Basis der bisherigen Ergebnisse gerade überarbeitet, Neueinreichungen werden erst nach Abschluss dieser Überarbeitungen möglich sein.

E) Wieder einmal Disput um die Linear-no Treshold-Hypothese – ALARA-Konzept wird sogar für die Kinderradiologie angezweifelt

Es ist nicht neu, dass die Krebsinduktion durch niedrige, im Bereich radiologischer Einzeluntersuchungen gelegene Strahlendosen umstritten ist. Immer wieder tauchen diesbezüglich Artikel auf, die Einzelaspekte der komplizierten Balance aus strahlenbedingter Schädigung und Reparaturmechanismen heranziehen und rezitieren, dass die derzeitigen vom wissenschaftlichen Mainstream getroffenen Risikoabschätzungen Makulatur seien. Von gewissem Neuigkeitswert ist, dass diese Diskussion nun auch die kinderradiologischen Gemeinschaft erreicht, wo sich eigentlich in den letzten Jahren die einheitliche Haltung durchgesetzt hat, dass Kinder aufgrund ihrer höheren Strahlensensitivität als besonders schützenswert gelten.
In der Jänner-Ausgabe von „Pediatric Radiology“ wurde ein "letter to the Editor" unter dem Titel „Letting go of what we believe about radiation and the risk of cancer in children” publiziert (Pediatr Radiol. 2017; 47(1):113-115; sollte im Rahmen eines “shareable link” des Springer Verlages unter http://rdcu.be/rLSD frei zugänglich sein). Hier gab der Kinderradiologe Savvas Andronikou (University of Bristol and Bristol Royal Hospital for Children, UK) ein persönliches Resümee über eine Debattensitzung auf der im Mai 2016 abgehaltenen Jahrestagung der nordamerikanischen Society of Pediatric Radiology mit dem Titel "Should the ALARA Concept and the Image Gently Campaign be Terminated?"
Der Medizinphysiker Mohan Doss hatte aus einer als Teil der Life Span-Studie an den japanischen Atombombenopfern 2012 erschienenen Arbeit (Ozasa K, et al., Radiat Res. 2012) herausgelesen, dass die  dort getroffenen Schlussfolgerungen für den Niedrigdosisbereich falsch seien. Dies u.a. weil bei Kindern das Immunsystem wesentlich stärker ausgeprägt sei als bei älteren Menschen, Krebs jedoch erst im späteren Lebensalter zunehme, was für eine immun- und nicht strahlenbedingte Krebsinduktion spreche. Auch eine in der Life-Span-Study sichtbare Senkung der Dosis-Risikokurve (für Colonkarzinome) im Bereich um 500 mSv nahm er als Argument, dass hier die Hormesis gelte und die LNT-Theorie falsch sei und deshalb auch das gesamte ALARA-Konzept und die „Image Gently“-Kampagne (www.imagegently.org) falsch und obsolet sei. Seiner Interpretation nach werden, durch die Aufklärung über das seiner Meinung nach irrelevante Krebsrisiko, PatientInnen davon abgeschreckt notwendige Untersuchungen durchführen zu lassen. Aus einer Studie über Befragung an 742 Eltern von Kindern mit Schädel-Hirn-Trauma über ihre Kenntnisse und Einstellungen zum Krebsrisiko durch Röntgenuntersuchungen (Boutis K., et al., Pediatrics 2013) las Doss heraus, daß 20% der Eltern aufgrund der Information über das Krebsrisiko eine CT verweigerten. Bei genauerer Betrachtung dieser zitierten Arbeit zeigt sich, dass tatsächlich annähernd der genannte Prozentsatz der Eltern nach Aufklärung über das Strahlenrisiko der CT reservierter gegenüberstand, aber auch dass aus dieser Gruppe letztendlich nur bei 8 Kindern eine CT tatsächlich klinisch als unumgänglich bewertet wurde und in Folge auch alle 8 Untersuchungen erfolgreich durchgeführt wurden! Das Argument der Verhinderung notwendiger CT-Untersuchungen durch Strahlenrisikoaufklärung kehrt sich hier bnei genauerer Betrachtung um zur einer notwendigen und berechtigten Verhinderung von unnötigen Untersuchungen durch eine vernünftige Strahlenrisikoaufklärung.
Auch der Kinderradiologe Mervyn Cohen sah, nachdem Erwägungen über das strahlenbedingte Krebsrisiko insbesondere bei Kindern erstmals 2001  ins amerikanische Bewusstsein gedrungenen sind, ein “schreckliches Dilemma”, weil es weder möglich war, schlüssig zu beweisen, dass Röntgendiagnostik überhaupt kein Risiko darstellen, noch, in Anerkennung eines strahlenbedingten Krebsrisikos der Kindern, Untersuchungen wegen der Strahlenbelastung vorenthalten werden sollten. Die darauf in den USA ins Leben gerufene ALARA- und “Image Gently”-Kampagne sei nicht dazu ins Leben gerufen worden um Veränderungen der Radiologischen Praxis zum Schutz der Kinder gegenüber einem (seiner Ansicht nach ohnehin nicht nachweisbaren) Krebsrisiko  zu erreichen, sondern lediglich als brillanter Verteidigungsmechanismus gegenüber einem Zeitungsartikel. Konkret meinte er einen Artikel in der Tageszeitung “USA Today”, der unter dem Titel „CT scans in children linked to cancer“ einem breiteren Publikum die Ergebnisse einer mittlerweile berühmt gewordenen wissenschaftlichen Arbeit (Brenner DJ, et al.,  Estimated risks of radiation-induced fatal cancer from pediatric CT. AJR Am J Roentgenol 2001; 176:289–296) zugänglich gemacht hatte.
Beide Autoren nahmen die Tatsache, dass in einer CT-Dosiserfassungsstudie (Goske MJ, et al., Radiology 2013) bei jenen Institutionen, deren Werte unter der 25. Perzentile lagen, 5% der Abdomenuntersuchungen eine insuffiziente Bildqualität aufwiesen, zum Anlass, die durch die „Image gently“-Kampagne initiierten Bemühungen der Dosisreduktion  ganz allgemein als überzogen und gefährlich hinzustellen. Sie zitierten des Weiteren die bekannten Schwächen der 2012/2013 publizierten großen CT-Kohortenstudien (siehe auch VMSÖ-Tagung 2014; Mathews JD, et al. BMJ. 2013; Pearce MS, et al. Lancet 2012) und nehmen diese Schwächen als eindeutigen Beweis dafür, dass ein Krebsrisiko durch CT schlichtweg nicht existiere.
Was von diesem Umkehrschluss zu halten ist, mögen unsere Leserinnen und Leser selbst entscheiden. Anerkannte und sicherlich nicht als Strahlenphobiker  bekannte ExpertInnen auf dem Gebiet der Strahlenbiologie sehen das jedenfalls ein bisschen anders. Wie z.B. W.U. Müller, ehemaliges Mitglied der ICRP, der den Stand des Wissens aus den bisher publizierten CT-Kohortenstudien auf der VMSÖ-Jahrestagung 2014 folgendermaßen zusammenfasste:
„Die Voraussetzungen (relativ hohe Strahlendosen durch CT, hohe Strahlenempfindlichkeit von Kindern, große Populationen) lassen es durchaus als möglich erscheinen, dass eine geringe Erhöhung von durch CT-Untersuchungen ausgelösten Malignomen nachgewiesen wird. Die bisher durchgeführten Studien zeigen eine Erhöhung, haben aber alle gewisse Mängel, so dass eine eindeutige Schlussfolgerung nicht möglich ist. Sie unterstreichen aber, dass an die Rechtfertigung einer CT-Untersuchung im Kindesalter besonders strenge Maßstäbe anzulegen sind“.

F) Veranstaltungsankündigungen

“Save the date”: VMSÖ-Jahrestagung 2017 – Gemeinsam mit dem Österreichischen Verband für Strahlenschutz am Freitag, den 17. November in Wien.
Programmdetails und Anmeldung in Kürze.

Anmerkung: Wir wollen nicht verschweigen, dass die Frühjahrstermine der VMSÖ-Strahlenschutzkurse (Grundkurs und Röntgendiagnostikkurs) wegen Nichterreichen der Mindestzahl an TeilnehmerInnen leider nicht abgehalten werden konnten. Neue Termine sind in Ausarbeitung, wobei auch eine Überarbeitung der Kurse in Hinblick auf die 2018 zu erwartende Umsetzung der EU-Strahlenschutzgrundnorm 59/2013 geplant ist.
Der nächste Kurs zum MR-Sicherheitsbeauftragten findet am 15.-16.11. in Wien statt. Anmeldung unter Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

IAEA, Wien 11.-15.12.2017: International Conference on Radiation Protection in Medicine: Achieving Change in Practice.
Die IAEA hat 2001 ihre erste medizinische Strahlenschutzkonferenz in Malaga organisiert. Dieser folgte eine weitere große Konferenz in Bonn 2012, deren Ergebnis als der “Bonn call for action” bekannt geworden ist. Die heuer geplante Konferenz in Wien soll die Ergebnisse der daraus resultierenden mannigfachen Aktivitäten zusammenfassen und die Richtung zukünftiger Forschungs- Praxis- und Gesetzgebungsaktivitäten vorgeben.
Die Konferenz richtet sich an alle mit dem medizinischen Strahlenschutz befassten Personen. Die Konferenzteilnahme ist frei, wie bei anderen IAEA-Konferenzen muss sich die Anmeldung aber über eine offizielle Gebietskörperschaft (z.B. das Gesundheitsministerium) laufen.
Abstracteinreichung ist bis 15. Juni 2017 möglich. Weitere Details auf der Kongress-Webseite.

G) Last not least gibt es wieder einmal ein Strahlenschutz-Quiz. Thema: Dosisreferenzwerte (DRW).

Eine oder mehrere Antworten können richtig sein. Die Auflösung finden Sie im Sommer-Newsletter.

Welche Aussage über Dosisreferenzwerte ist korrekt?

  1. DRW gibt es für jeder Altersklasse;
  2. Lokale DRWs müssen immer unter den Nationalen DRWs liegen;
  3. DRW gibt es für Säuglinge unter 3,5 kg in Österreich nicht;
  4. DRWs müssen alle 3 Jahre oder bis zur übernächsten §17 Überprüfung neu erstellt werden;
  5. DRWs müssen nur überprüft werden, wenn das Bedienpersonal an den Röntgengeräten wechselt;
  6. DRWs dürfen im Mittel nicht ständig überschritten werden.

 

Herzlichst, Ihr/Ihre

OA Dr. Gerald Pärtan (Präsident des VMSÖ)
OÄ Dr. Elke Dimou (Chefredakteurin)
RT Martina Dünkelmeyer  (Schriftführerin)